Laboruntersuchungen spielen bei einem Großteil aller medizinischen Diagnosen eine entscheidende Rolle. Für zeitkritische Anwendungen, z.B. einer Entscheidungsunterstützung, die den Arzt bei einem niedrigen Hämoglobinwert warnt, können auch schon vorläufige Ergebnisse interessant sein. In der Regel werden aber sowohl in der Patientenversorgung als auch in der Forschung die finalen Laborergebnisse verwendet. Zentrales Dokument und Gegenstand dieses Moduls ist dabei der LABORBEFUND eines medizinischen Labors. Aufgrund des breiten Einsatzes des Moduls LABORBEFUND wird auf eine Beschreibung von einzelnen Anwendungen innerhalb der einzelnen Konsortien verzichtet.
Abbildung Modul LABORBEFUND in ART-DECOR:
Laborbefunde sind als Dokumente zusammengefasste in einem medizinischen Labor durchgeführte Untersuchungen. Zum einzelnen Laborbefund werden jeweils verschiedene Daten erfasst, insbesondere ob es sich um einen vorläufigen oder abschließenden Befund handelt (Status) und verschiedene im Kontext wichtige Zeitpunkte.
Für eine tabellarische Übersicht samt Zuordnung zu den entsprechenden FHIR-Items siehe innerhalb dieses Implementation Guides: Zeitpunkte im Labor
Im Verlauf einer Laboranalyse, von der Abnahme der Probe bis zur Übermittlung des Befundes an den Einsender, können verschiedene reelle Zeitpunkte für die Interpretation relevant werden. Viele dieser Zeitpunkte sind in medizinischen Laboren automatisiert und in hoher Qualität in entsprechenden Zeitstempeln dokumentiertx, während manche Zeitstempel aufgrund von z.B. manueller Dokumentation nur ein grobes Surrogat für die reellen Zeitpunkte sein können.
Für jede Analyse gibt es einen Zeitpunkt, zu dem die gemessene Eigenschaft im Probenmaterial (z.B. Analytkonzentration) mutmaßlich der Eigenschaft im Patienten entsprach. In der Regel ist dies der Zeitpunkt der Entnahme/Probengewinnung. Die Präzision soll ausreichen, um auch Minuten zu erfassen. Optimalerweise liegt ein gut dokumentierter Entnahmezeitpunkt vor und kann so als klinischer Bezugszeitpunkt verwendet werden. Oft liegt aber kein Entnahmezeitpunkt vor bzw. dessen Genauigkeit ist bei weitem nicht ausreichend, sodass häufig der Laboreingangszeitpunkt oder ggf. andere Zeitpunkte (z.B. geschätzter/berechneter Entnahmezeitpunkt) verwendet werden. Der klinische Bezugszeitpunkt wird in der klinischen Praxis am ehesten verwendet, um mehrere Analysen des gleichen Laborparameters chronologisch zu ordnen (z.B. bei Darstellung von Werteverläufen).
In den meisten Fällen gilt: klinischer Bezugszeitpunkt der Untersuchung = klinischer Bezugszeitpunkt des Befundes, da die verwendeten Zeitpunkte (Probenentnahme/Laboreingang) oft für alle Untersuchungen eines Laborbefundes gleich sind. Falls verschiedene Entnahme-/Laboreingangszeitpunkte für die verschiedenen Untersuchungen eines Laborbefundes zur Verfügung stehen, können diese als klinischer Bezugszeitpunkt der Untersuchungen verwendet werden, während der klinische Bezugszeitpunkt des Befundes dann durch den z.B. frühesten dieser Zeitpunkte definiert werden kann. Interpretation: Dieser Zeitpunkt ist wichtig, um verschiedene Analysen im Zeitverlauf sortieren zu können. Er liegt immer vor dem Dokumentationszeitpunkt. Datenmodell: Der klinische Bezugszeitpunkt wird sowohl als Eigenschaft einer Einzeluntersuchung (Observation) als auch des Laborbefundes (DiagnosticReport) modelliert. (Dadurch entsteht in den meisten Fällen eine Redundanz dieser Information. Außerdem werden Laboreingangs- und Entnahmezeitpunkt als Eigenschaften der Probe (Specimen, Modul Biobank) modelliert, was weitere Redundanzen schafft.
Beschreibung: Zeitpunkt der Probenentnahme/Probengewinnung (z.B. Blutentnahme, Abstrich, Punktion). Interpretation: Der dokumentierte Entnahmezeitpunkt ist häufig schlechter als Untersuchungszeitpunkt (klinischer Bezugszeitpunkt) geeignet als der Laboreingangszeitpunkt (oder vom Laboreingangszeitpunkt abgeleitete Berechnungen/Schätzungen des Entnahmezeitpunkts). Die Dokumentation des Entnahmezeitpunkts erfolgt nicht flächendeckend und manuell und dadurch kaum standardisierbar. Ausnahmen kommen vor z.B. bei Studiendaten oder bestimmten Fragestellungen (z.B. hormonelle Tagesprofile) sind aber auch dort nicht immer verlässlich. Systeme zur automatisierten Erfassung des Blutentnahmezeitpunkts (z.B. durch Etikettenscan am Patientenarmband oder –bett) sind bisher nicht weit verbreitet. Datenmodell: Im Datenmodell wird der Entnahmezeitpunkt als Eigenschaft des Probenmaterials (Specimen, Modul Biobank) modelliert und zusätzlich ggf. als Untersuchungszeitpunkt (klinischer Bezugszeitpunkt, s.o.). Wurde das Probenmaterial über einen definierten Zeitraum gesammelt (z.B. 24h Urin), kann dieser auch als Eigenschaft des Probenmaterials hinterlegt werden. In diesem Fall stellt der Entnahmezeitpunkt einen Zeitraum dar.
Beschreibung: Zeitpunkt der Ankunft des Probenmaterials im Labor, auch Probeneingangszeitpunkt. Interpretation: „Datum und Uhrzeit des Eingangs des Untersuchungsmaterials“ ist einer der zwei Zeitstempel deren Angabe auf dem Laborbefund verpflichtend ist (neben dem Zeitpunkt der Berichtausgabe) – für alle medizinischen Labore in Deutschland (RiLiBÄK 2019/23) und akkreditierte Labore international (DIN EN ISO 15189_2023). Außerdem wird der Laboreingangszeitpunkt in vielen Laboren mit bereits voretikettierten Proben automatisiert dokumentiert. Dies führt zu einer hohen Dokumentationsqualität und Verfügbarkeit, wodurch sich der Laboreingangszeitpunkt häufig besser als Untersuchungszeitpunkt (klinischer Bezugszeitpunkt) eignet als der Entnahmezeitpunkt. Datenmodell: Im Datenmodell wird der Laboreingangszeitpunkt als Eigenschaft des Probenmaterials (Specimen, Modul Biobank) modelliert und in vielen Fällen zusätzlich als Untersuchungszeitpunkt (klinischer Bezugszeitpunkt, s.o.).
Beschreibung: Zeitpunkt, zu dem eine Anforderung (auch Laboranforderung, Leistungsanforderung) für eine Laboruntersuchung versendet wurde oder – falls nicht vorhanden – Laboreingangszeitpunkt dieser Anforderung. Interpretation: In der Regel handelt es sich um den frühesten dokumentierten Zeitpunkt einer Laboruntersuchung, kann aber bei Nachforderungen auch nach der Blutentnahme sein (auch Tage bis Wochen). Je nach Art der Anforderung (z.B. elektronisch vor Ankunft der Probe oder in Papierform nahezu zeitgleich mit Laboreingang der Probe) und Dokumentation von Nachforderungszeitpunkten ist dieser Zeitpunkt nur sehr heterogenen und standortabhängig interpretierbar. Für klinische Fragestellungen ist er meist weniger relevant, kann aber z.B. für Fragestellungen der Prozessoptimierung oder Plausibilitätsüberprüfung verwendet werden. Datenmodell: Als Eigenschaft des Auftrags (ServiceRequest) modelliert.
Der Begriff Auftragszeitpunkt wird bewusst nicht verwendet, da er zum Teil mehrdeutig verwendet wird. Zum einen kann der Zeitpunkt einer Beauftragung einer Laboruntersuchung (Anforderungszeitpunkt) gemeint sein. Zum anderen wird der Begriff „Auftrag“ z.T. synonym für einen Laborbefund verwendet und somit kann „Auftragszeitpunkt“ als „Zeitpunkt eines Laborbefundes“ und damit als verschiedene Zeitstempel (klinischer Bezugszeitpunkt oder Dokumentationszeitpunkt des Laborbefundes) fehlverstanden werden.
Beschreibung: Zeitpunkt, an dem das Ergebnis der Laboruntersuchung für das klinische Personal zur Verfügung steht bzw. einsehbar ist, typischerweise nach Verifizierung (auch „Freigabe“ oder „Validierung“) des Ergebnisses durch Laborpersonal. Interpretation: Die Dokumentation eines Freigabezeitpunkts oder Übermittlungszeitpunkts (oder Druckzeitpunkt bei Befundversand in Papierform) erfolgt häufig automatisiert in Laborinformationssystemen. Da dieser Zeitstempel aber nicht verpflichtend in Laborbefunden angegeben werden muss, steht er nicht immer zur Verfügung. Erst ab diesem Zeitpunkt sind medizinische Konsequenzen auf Basis des Laborergebnisses möglich. Je nach Dauer der Laboruntersuchung vergehen Stunden oder Tage (selten Wochen) zwischen klinischem Bezugszeitpunkt und Dokumentationszeitpunkt liegen. Datenmodell: Als Eigenschaft der Laboruntersuchung (Observation) modelliert.
Beschreibung: Zeitpunkt, an dem der Laborbefund/Laborbericht dokumentiert (verifiziert/freigegeben bzw. ausgegeben) wurde. Da ein Laborbefund häufig mehrere Analysen umfasst, sollte für diesen der älteste Zeitstempel der enthaltenen Laboruntersuchungen gewählt werden, wenn das Datum der Befundfreigabe nicht explizit zur Verfügung steht. Vorläufige Befunde können eigenständig mit einem entsprechenden Status abgebildet werden. Interpretation: Die Angabe des „Zeitpunkts der Berichtausgabe“ (RiLiBÄK 2019/23) ist einer der zwei Zeitstempel deren Angabe auf dem Laborbefund verpflichtend ist (neben dem Zeitpunkt des Probeneingangs) – für alle medizinischen Labore in Deutschland (RiLiBÄK 2019/23) und akkreditierte Labore international (DIN EN ISO 15189_2023). Es ist damit eine höhere Verfügbarkeit zu erwarten als beim Dokumentationszeitpunkt der (Einzel-)Laboruntersuchung. Für manche Fragestellungen kann der Dokumentationszeitpunkt des Laborberichts somit als Surrogat verwendet werden, ab welchem Zeitpunkt medizinische Konsequenzen auf Basis des Laborergebnisses möglich sind. Dabei ist aber zu beachten, dass zum Teil Abweichungen von Tagen (selten Wochen) auftreten können. Datenmodell: Als Eigenschaft des Laborbefundes (DiagnosticReport) modelliert.
Abbildung der einzelnen Laboruntersuchung im Modul LABORBEFUND:
Abbildung der Laboranforderung im Modul LABORBEFUND:
Ein wesentlicher Teil des Laborbefundes sind die ärztlichen Interpretationen und die Kommentare, mit denen das Labor dem Einsender hilft, die richtigen Schlüsse aus den Messergebnissen zu ziehen. Die eigentliche Interpretation wird in im Wesentlichen als Freitext abgespeichert. Zusätzliche strukturierte Codierungen sind möglich, allerdings steht SNOMED CT nur bei Verfügbarkeit entsprechender Lizenzen zur Verfügung.
Häufig beziehen sich einzelne Kommentare nicht auf den gesamten Befund, sondern nur auf einzelne Messungen (z.B. "Messung gestört"). Diese Kommentare sollten als Notiz gespeichert werden. Eine Interpretation der Lage des Messwertes in Bezug zum Referenzintervall (z.B. "+", "hoch", "-", "niedrig") können explizit angegeben werden, sind jedoch redundant, da das Referenzintervall selbst explizit abgebildet werden sollte.
Abbildung des Probenmaterials im Modul LABORBEFUND:
Häufig werden in einem Laborbefund auch Kommentare zur Probe angegeben (z.B. "Probe hämolytisch"). Zum jetzigen Zeitpunkt werden diese Informationen nicht im Modul Laborbefund erfasst, können aber im FHIR-Profil Specimen (Bioprobe) des Erweiterungsmoduls Biobank erfasst werden. Alternativ können Kommentare, die sich auf eine Probe beziehen, unstrukturiert als Zusatzinformation zu den entsprechenden Messwerten abgelegt werden. Dies kann auch die sinnvollere Lösung sein, wenn diese Kommentarzuordnung auch in den Primärsystemen auf Untersuchungsebene gehandhabt wird.
In Version 1.0.6 von 2021 widersprach die Beschreibung des Begriffs „Untersuchungszeitpunkt“ teilweise sich selbst und hat somit zu Mehrdeutigkeiten geführt. (Konkret stand „Zeitpunkt des Beginns der Untersuchung/Messung“ im Widerspruch zur ebenfalls erwähnten FHIR-ITEM-Beschreibung „Zeitpunkt zumde die gemessene Eigenschaft im Probenmaterial (e.g. Analytkonzentration) mutmaßlich der Eigenschaft im Patienten entsprach“.) Es soll sich beim Untersuchungszeitpunkt aber nicht um den Zeitpunkt des eigentlichen Messvorgangs handeln und ein „Messzeitpunkt“ ist bisher im Modul Laborbefund nicht vorgesehen.↩